PressefreiheitProminente georgische Journalistin festgenommen und angeklagt

Der georgische Staat nimmt nun oppositionelle Medien ins Visier. Am Samstag wurde die bekannte Journalistin Mzia Amaglobeli festgenommen. Ihr drohen bis zu sechs Jahre Haft.

Frau vor einem Gitter, Kameras und Handys auf sie gerichtet
Mzia Amaglobeli am Tag der Festnahme. – Alle Rechte vorbehalten Batumelebi

Die georgische Polizei hat die Journalistin Mzia Amaglobeli am Samstag auf einer Demonstration festgenommen. Die Gründerin und Geschäftsführerin der unabhängigen Publikationen Batumelebi und NetGazeti wurde wegen eines angeblichen Angriffs auf einen Polizeibeamten festgenommen, worauf eine Haftstrafe von vier bis sechs Jahren steht. Heute hat die Staatsanwaltschaft deswegen Anklage erhoben, berichtet NetGazeti auf Bluesky. Die Staatsanwaltschaft fordert nun, dass sie in Untersuchungshaft genommen wird. Darüber entscheidet ein Gericht in Batumi am Dienstag.

Batumelebi und NetGazeti sind preisgekrönte Online-Medien, die sehr viel über die mittlerweile mehr als 45 Tage andauernden Demokratie-Proteste in Georgien berichten. Es handelt sich dabei um professionell arbeitende Publikationen, die einen wichtigen Beitrag zur Medienvielfalt des Landes im Kaukasus leisten.

„Es gibt kein Zurück“

Amaglobeli wurde am Samstag gleich zweimal verhaftet. Das erste Mal, weil sie ein Plakat an einer Wand angebracht haben soll. Es handelt sich dabei um eine Ordnungswidrigkeit, die seit Neuestem in Georgien mit hohen Strafen belegt ist. Nach der ersten Festnahme wurde sie wieder freigelassen.

Das zweite Mal wurde sie festgenommen, weil sie angeblich den Polizeichef der georgischen Stadt Batumi geschlagen haben soll. Laut einem Medienbericht könnte dieser Vorfall von der Polizei absichtlich eingefädelt worden oder einer reflexhaften Bewegung geschuldet sein. Während der Festnahme wurde Amaglobeli über Stunden der Zugang zu einem Anwalt verweigert, die Journalistin gibt an, während der Festnahme misshandelt worden zu sein, unter anderem vom Polizeichef von Batumi. In Tiflis demonstrierten Journalist:innen gegen das Vorgehen der Polizei.

Proteste für Neuwahlen und EU-Beitritt

Seit nunmehr sechs Wochen demonstrieren jeden Tag tausende Georgier:innen in Tiflis und anderen Städten des Landes. Am Thema Europa haben sich die neuerlichen Proteste entzündet, denn die Regierungspartei „Georgischer Traum“ des Oligarchen Bidsina Iwanischwili möchte den Beitritt zur EU auf Eis legen, obwohl dieser in der Verfassung festgeschrieben ist. Mit der Abkehr von der EU ist automatisch eine Nähe zu Russland verbunden und eine autoritäre Wende des Landes.

Tausende gingen daraufhin jeden Tag auf die Straße. Ihre Forderungen sind sofortige Neuwahlen – und nach den zahlreichen Festnahmen der letzten Wochen auch die Freiheit aller politischen Gefangenen. Ende Oktober hatte die russlandnahe Regierungspartei „Georgischer Traum“ die Wahlen knapp gewonnen, es gibt laute Vorwürfe von Wahlbetrug, Stimmenkauf und Bedrohung, auch die OSZE kritisierte die Wahlen.  Die Demonstrierenden sehen die Regierung als illegitim an.

Update 16:54 Uhr:
Die Polizei hat in der vergangenen Nacht in Batumi einen Kameramann der Publikation von Batumelebi festgenommen, berichten Batumelebi und Civil.ge.

Update 14.01.25 – 10:30 Uhr:
Laut Medienberichten hat das zuständige Gericht in Batumi heute entschieden, dass die festgenommene Journalistin Mzia Amaglobeli in Untersuchungshaft kommt.

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6 Ergänzungen

  1. >“Der georgische Staat nimmt nun oppositionelle Medien ins Visier.“

    Das ist kein Staat und sollte so nicht benannt werden.

    Das Volk hat schon verloren, spätestens mit den organisierten maskierten Schlägern sollte dieses allen/uns klar sein… wohin der „wohlmöglich den blutigen“ Weg nun geht.

    Ohne Hilfe von außen gibt es die Freiheit dort nicht mehr!

  2. Gibt es eigentlich valide Umfragen, wie Präferenzen der georgischen Bevölkerung zu dem Problem sind?
    Für mich als Außenstehenden ist es schwer zu erkennen, ob eine Minderheit demonstriert hat oder ob es sich um die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung in Georgien handelt.
    Es kann ja sein das die Wahrnehmung dort eine Andere ist, als wie wir die Dinge sehen.
    Da vermutlich auch Dinge wie die wirtschaftliche Situation (wie steht es mit dem Handel zwischen der EU/Georgien, RU/Georgien), Kriegsgefahr (bei der letzten russischen Invasion waren die Georgier nach knapp einer Woche erledigt) und wie die politisch Aktiven als Personen wahrgenommen (Stichwort, politische Glaubwürdigkeit) werden eine Rolle spielt. Alles Dinge, die ich zumindest, nicht einschätzen kann, da mir bisher Georgien vollkommen fast (kurzes Interesse als die Russen dort aktiv wurden) egal war.
    Danke.

    1. Es gibt Umfragen, von denen ich manche in älteren Artikeln (https://netzpolitik.org/tag/georgien) auch verlinkt habe.

      – Einen EU-Beitritt wollen zwischen zwei Drittel und drei Viertel der Georgier:innen.
      – Laut einer repräsentativen Umfrage im Dezember gibt etwa 1/3 der Befragten an, mindestens einmal bei den Protesten demonstriert zu haben.
      – Die Regierung hat bei einer von Betrugsvorwürfen begleiteten Wahl etwa 54% „geholt“.

      Generell würde ich auch die Teilnehmendenzahlen der Demos als Indikator nehmen, wie groß und breit die Proteste sind. Es gab mehrere Proteste, an denen zwischen 100.000-200.000 Menschen teilgenommen haben, viele Proteste mit 5.000-10.000 Teilnehmenden und Proteste in vielen Landesteilen. Die Proteste dauern nun schon knapp 50 Tage an und jeden Tag gehen tausende vor dem Parlament demonstrieren.

      Man muss dabei sehen, dass Georgien nur 3,7 Millionen Einwohner:innen hat. Ein Protest mit 200.000 Teilnehmern ist eine Beteiligung von mehr als 5 Prozent der Gesamtbevölkerung. Das ist sehr sehr viel, weil hinter allen, die auf die Straße gehen, oftmals noch ein Vielfaches an Menschen sympathisiert. Es gibt wissenschaftliche Beobachtungen, dass viele Revolutionen gelingen, wenn etwa 3,5% der Bevölkerung aktiv protestieren (3,5 % Rule).

      Meine Beobachtungen vor Ort (https://netzpolitik.org/tag/georgien/) waren, dass die Proteste sehr breit waren und aus unterschiedlichen Schichten, Szenen, Berufsgruppen, Altersgruppen usw. getragen werden, wobei meiner Beobachtung nach gebildete Schichten und die Mittelschicht überproportional vertreten sein dürften. Gleichzeitig konnte ich während der Proteste sehen, dass es eine große Solidarität von Passant:innen gab oder auch von Autos, die aus Solidarität hupen und ähnliches machen. Das sind natürlich nur Beobachtungen, die ich während meiner knapp 3 Wochen dort und aus zahlreichen Gesprächen ziehen kann.

      1. Müsste ich eine Schätzung abgeben, würde ich für die Hauptstadt Tiflis (1,2 Millionen Einwohner) sagen, dass dort bestimmt zwei Drittel hinter den Protesten stehen. In ländlichen Gebieten sieht es allerdings anders aus und die Proteste haben weniger Rückhalt.

        Zur Glaubwürdigkeit: Meine Beobachtung war, dass die Oppositionsparteien, die Teil der Proteste sind, keinen großen Rückhalt bei den Protestierenden genießen, die Proteste selbst aber schon mehr. Es herrscht allgemein unter den Protestierenden ein Gefühl, dass etwas neues entsteht, sehr viele Menschen sprachen unabhängig voneinander von der „Geburtsstunde eines neuen demokratischen Georgiens“ und das war auch ein Eindruck, den ich dort hatte.

        Ich kann empfehlen einfach die Artikel zu lesen, ich habe dort beschrieben, was ich gesehen habe und was die protestierenden Leute mir erzählt haben. Das ist natürlich alles nur eine Momentaufnahme und ich habe weniger mit Leuten geredet, die gegen die Proteste sind, diese aber auch getroffen.

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